Hallo Klärchen,
schön, dass unsere Diskussion Fahrt aufnimmt! Deshalb möchte ich gern auf deine Antwort auf mein Posting vom 25.07. eingehen.
Im Grunde dreht sich unser Disput um Grundrechte
- Religionsfreiheit
- Recht auf körperliche Unversehrtheit
- Gleichheitsgebot (da für Mädchen ja explizit und umfassend anders entschieden wurde)
Ferner nimmt in deiner Argumentation das Elternrecht eine exponierte Stellung ein.
Die beiden erstgenannten Rechte konkurrieren offenbar beim Thema Beschneidung miteinander, hier muss der Gesetzgeber abwägen – aber ist er konsequent?
Auf christliche Minderheiten, die ihre Kinder mit dem Verweis auf ihre Religion nicht am Schulsport und Schwimmunterricht teilnehmen lassen wollen, nimmt er keine Rücksicht. Auf beschneidungslustige Religionen schon!
Ich sage es noch einmal: Religionen haben sich in der Vergangenheit geändert und werden das auch in Zukunft tun – überkommene Bräuche wurden abgeschafft. Manche davon würden heute in den meisten Staaten gegen geltende Gesetze verstoßen.
Ein säkularer Staat hat also nicht nur das Recht, sondern auch – mit Blick auf die Grundrechte seiner Bürger – die Pflicht, die Religionen in die Schranken zu weisen!
Da du das hohe Lied auf unsere Parlamente und ihre Berater singst:
Die waren sich 1. auch nicht einig in der Frage und haben 2. schon manches Gesetz verabschiedet, dass anschließend vom Verfassungsgericht kassiert wurde!
Es bleibt abzuwarten ob und wann im vorliegenden Fall die Herren in den Roben bemüht werden und wie sie dann entscheiden.
In einem Punkt gebe ich dir Recht: Die Entscheidung zum Beschneidungsgesetz war nicht ideologisch. Sie war politisch! Erwachsene Befürworter haben mehr Wählerstimmen zu vergeben als die (Gott sei Dank) kleine Zahl der unzufrieden Beschnittenen. Auf der Strecke blieb das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Gilt das eigentlich auch schon für Kinder und ist es den Eltern überlassen zu definieren wo es beginnt? Darf die Grenze in Abhängigkeit des Geschlechts gesetzt werden?
Damit wären wir bei den Elternrechten (und ihrer Verantwortung). Die Prügelstrafe ist hier in Deutschland verboten – Beschneidung als Strafe für von Mutti (merkwürdig, dass es hier meist die Frauen sind) als zu viel erachtete Masturbation wird dagegen hier offen diskutiert (nicht von dir, aber von anderen)! Wie geht das zusammen?
Das gerade kritisiere ich am heftigsten, dass Eltern sich das Recht herausnehmen in die sich entwickelnde Sexualität ihres Kindes mit einer Beschneidung hineinzugrätschen ungeachtet der psychischen Konsequenzen – hier kann ich eben als Mann sehr gut beurteilen, was das bei mir ausgelöst hätte - nichts Gutes!
Gottlob sehe ich die schweigende Mehrheit der Eltern und auch der Frauen (einige Stimmen finden sich auch hier im Forum) auf meiner Seite, für sie kommt ein medizinisch nicht indizierter Eingriff unabhängig vom Geschlecht ihres Kindes nicht in Frage. Warum sollte auch jemand das Risiko auf sich nehmen, dass sein Kind ihm/ihr dies eines Tages vorwirft?
Nun stellst du grundsätzlich in Frage, dass ein Mann mit seiner Beschneidung unzufrieden sein könnte und suggerierst, dass die beklagten Probleme ungerechtfertigter Weise der Beschneidung zugeordnet werden.
Hierzu Folgendes: Ich habe in Vorbereitung meiner eigenen Beschneidung mit genug Leuten gesprochen/gechattet um die Risiken einschätzen zu können.
Die gute Nachricht:
Die überwältigende Mehrheit der beschnittenen Männer ist mit sich selbst und der eigenen Sexualität einschl. Selbstbefriedigung (da freuen sich die oben gen. Muttis sicher) sehr zufrieden. Es gibt aber auch Männer die nicht zufrieden sind, weil ihre Eltern meinten, Hauptsache ab, die sich deshalb später einer Nachbeschneidung unterziehen lassen mussten (tolle Erfahrung). Und ja, es gibt jene Männer die sich in Körperlichkeit und Sexualität durch den Ihnen aufoktroyierten, irreversiblen Eingriff beeinträchtigt fühlen!
Hier hilft es nicht, nach wissenschaftlichen Beweisen zu verlangen, die belegen, dass der Eingriff die Ursache ist. Entscheidend ist, dass diese Menschen es so empfinden! Frag mal bei den Intaktivisten nach. Hier bleibt nur zu hoffen, dass Sexualtherapeuten und Psychologen ihnen helfen können – aber die entsprechende Therapie verdanken sie ihren Eltern, die es nicht ertragen konnten, dass ihr erwachsener Sohn die Entscheidung über den Eingriff selbst trifft, die ihm ihren Willen aufgezwungen haben.
Ach ja, bitte unterlass es doch, Menschen (egal ob Männer oder Frauen) die psychische Probleme haben, mit Hypochondern gleichzusetzen, das wird diesen Menschen nun wirklich nicht gerecht. Und Hypochonder bilden sich etwas ein – beschnittene Männer bilden sich nichts ein, die haben de facto keine Vorhaut mehr, sonst würden wir hier nicht reden.
Klärchen, ich möchte den Menschen grundsätzlich so wenig wie möglich vorschreiben, weil ich mich als überzeugten Liberalen definiere, ich möchte schützen - und Kinder müssen (leider) manchmal auch vor ihren Eltern geschützt werden –wie auch vor Übergriffen Ihrer Pfaffen! Das tut unser Gesetzgeber bereits – nur in der diskutierten Frage eben nicht. Dass die Rechtslage in anderen Ländern ebenso unbefriedigend ist, macht die Sache nicht besser. Hier sollte ein Parlament endlich mal den Mut zum Protagonismus haben!
Deshalb – und hier schließt sich der Kreis – nein, „Kein Ende in Sicht!“
Übrigens: Mein Hinweis auf die Atompolitik in Deutschland (im ersten Posting) sollte lediglich zeigen, dass es sich lohnt auch nach politischen Entscheidungen die Debatte fortzusetzen. Über die Richtigkeit des Ausstiegs sollten wir aber in einem anderen Forum diskutieren.
Schönen Gruß aus Köln
Pierre
PS: Als Ergebnis meiner Beschneidungs-Recherche zur Entscheidungshilfe für alle Eltern hier noch 2 Hinweise:
- Die große Mehrzahl aller Männer, die sich als Erwachsene beschneiden ließen, war froh, die Entscheidung in freier Selbstbestimmung treffen zu können.
- eine – wie von Klärchen und Anderen behauptet – schmerz-/beschwerdefreie Beschneidung verspricht kein seriöser Arzt und selbst die Beschneidungsfetischisten von Eurocirc sind seriös genug das nicht zu tun. Schmerzen/Beschwerden halten sich aber in der Regel in (meist überschaubaren) Grenzen.
schön, dass unsere Diskussion Fahrt aufnimmt! Deshalb möchte ich gern auf deine Antwort auf mein Posting vom 25.07. eingehen.
Im Grunde dreht sich unser Disput um Grundrechte
- Religionsfreiheit
- Recht auf körperliche Unversehrtheit
- Gleichheitsgebot (da für Mädchen ja explizit und umfassend anders entschieden wurde)
Ferner nimmt in deiner Argumentation das Elternrecht eine exponierte Stellung ein.
Die beiden erstgenannten Rechte konkurrieren offenbar beim Thema Beschneidung miteinander, hier muss der Gesetzgeber abwägen – aber ist er konsequent?
Auf christliche Minderheiten, die ihre Kinder mit dem Verweis auf ihre Religion nicht am Schulsport und Schwimmunterricht teilnehmen lassen wollen, nimmt er keine Rücksicht. Auf beschneidungslustige Religionen schon!
Ich sage es noch einmal: Religionen haben sich in der Vergangenheit geändert und werden das auch in Zukunft tun – überkommene Bräuche wurden abgeschafft. Manche davon würden heute in den meisten Staaten gegen geltende Gesetze verstoßen.
Ein säkularer Staat hat also nicht nur das Recht, sondern auch – mit Blick auf die Grundrechte seiner Bürger – die Pflicht, die Religionen in die Schranken zu weisen!
Da du das hohe Lied auf unsere Parlamente und ihre Berater singst:
Die waren sich 1. auch nicht einig in der Frage und haben 2. schon manches Gesetz verabschiedet, dass anschließend vom Verfassungsgericht kassiert wurde!
Es bleibt abzuwarten ob und wann im vorliegenden Fall die Herren in den Roben bemüht werden und wie sie dann entscheiden.
In einem Punkt gebe ich dir Recht: Die Entscheidung zum Beschneidungsgesetz war nicht ideologisch. Sie war politisch! Erwachsene Befürworter haben mehr Wählerstimmen zu vergeben als die (Gott sei Dank) kleine Zahl der unzufrieden Beschnittenen. Auf der Strecke blieb das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Gilt das eigentlich auch schon für Kinder und ist es den Eltern überlassen zu definieren wo es beginnt? Darf die Grenze in Abhängigkeit des Geschlechts gesetzt werden?
Damit wären wir bei den Elternrechten (und ihrer Verantwortung). Die Prügelstrafe ist hier in Deutschland verboten – Beschneidung als Strafe für von Mutti (merkwürdig, dass es hier meist die Frauen sind) als zu viel erachtete Masturbation wird dagegen hier offen diskutiert (nicht von dir, aber von anderen)! Wie geht das zusammen?
Das gerade kritisiere ich am heftigsten, dass Eltern sich das Recht herausnehmen in die sich entwickelnde Sexualität ihres Kindes mit einer Beschneidung hineinzugrätschen ungeachtet der psychischen Konsequenzen – hier kann ich eben als Mann sehr gut beurteilen, was das bei mir ausgelöst hätte - nichts Gutes!
Gottlob sehe ich die schweigende Mehrheit der Eltern und auch der Frauen (einige Stimmen finden sich auch hier im Forum) auf meiner Seite, für sie kommt ein medizinisch nicht indizierter Eingriff unabhängig vom Geschlecht ihres Kindes nicht in Frage. Warum sollte auch jemand das Risiko auf sich nehmen, dass sein Kind ihm/ihr dies eines Tages vorwirft?
Nun stellst du grundsätzlich in Frage, dass ein Mann mit seiner Beschneidung unzufrieden sein könnte und suggerierst, dass die beklagten Probleme ungerechtfertigter Weise der Beschneidung zugeordnet werden.
Hierzu Folgendes: Ich habe in Vorbereitung meiner eigenen Beschneidung mit genug Leuten gesprochen/gechattet um die Risiken einschätzen zu können.
Die gute Nachricht:
Die überwältigende Mehrheit der beschnittenen Männer ist mit sich selbst und der eigenen Sexualität einschl. Selbstbefriedigung (da freuen sich die oben gen. Muttis sicher) sehr zufrieden. Es gibt aber auch Männer die nicht zufrieden sind, weil ihre Eltern meinten, Hauptsache ab, die sich deshalb später einer Nachbeschneidung unterziehen lassen mussten (tolle Erfahrung). Und ja, es gibt jene Männer die sich in Körperlichkeit und Sexualität durch den Ihnen aufoktroyierten, irreversiblen Eingriff beeinträchtigt fühlen!
Hier hilft es nicht, nach wissenschaftlichen Beweisen zu verlangen, die belegen, dass der Eingriff die Ursache ist. Entscheidend ist, dass diese Menschen es so empfinden! Frag mal bei den Intaktivisten nach. Hier bleibt nur zu hoffen, dass Sexualtherapeuten und Psychologen ihnen helfen können – aber die entsprechende Therapie verdanken sie ihren Eltern, die es nicht ertragen konnten, dass ihr erwachsener Sohn die Entscheidung über den Eingriff selbst trifft, die ihm ihren Willen aufgezwungen haben.
Ach ja, bitte unterlass es doch, Menschen (egal ob Männer oder Frauen) die psychische Probleme haben, mit Hypochondern gleichzusetzen, das wird diesen Menschen nun wirklich nicht gerecht. Und Hypochonder bilden sich etwas ein – beschnittene Männer bilden sich nichts ein, die haben de facto keine Vorhaut mehr, sonst würden wir hier nicht reden.
Klärchen, ich möchte den Menschen grundsätzlich so wenig wie möglich vorschreiben, weil ich mich als überzeugten Liberalen definiere, ich möchte schützen - und Kinder müssen (leider) manchmal auch vor ihren Eltern geschützt werden –wie auch vor Übergriffen Ihrer Pfaffen! Das tut unser Gesetzgeber bereits – nur in der diskutierten Frage eben nicht. Dass die Rechtslage in anderen Ländern ebenso unbefriedigend ist, macht die Sache nicht besser. Hier sollte ein Parlament endlich mal den Mut zum Protagonismus haben!
Deshalb – und hier schließt sich der Kreis – nein, „Kein Ende in Sicht!“
Übrigens: Mein Hinweis auf die Atompolitik in Deutschland (im ersten Posting) sollte lediglich zeigen, dass es sich lohnt auch nach politischen Entscheidungen die Debatte fortzusetzen. Über die Richtigkeit des Ausstiegs sollten wir aber in einem anderen Forum diskutieren.
Schönen Gruß aus Köln
Pierre
PS: Als Ergebnis meiner Beschneidungs-Recherche zur Entscheidungshilfe für alle Eltern hier noch 2 Hinweise:
- Die große Mehrzahl aller Männer, die sich als Erwachsene beschneiden ließen, war froh, die Entscheidung in freier Selbstbestimmung treffen zu können.
- eine – wie von Klärchen und Anderen behauptet – schmerz-/beschwerdefreie Beschneidung verspricht kein seriöser Arzt und selbst die Beschneidungsfetischisten von Eurocirc sind seriös genug das nicht zu tun. Schmerzen/Beschwerden halten sich aber in der Regel in (meist überschaubaren) Grenzen.