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Channel: Willkommen in den NetDoktor.at Foren! - Beschneidung
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Re: Quo vadis? - Teil 2 (Fortsetzung von Teil 1)

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"Im Gegensatz zu Beschneidungsgegnern, die sich anmaßen in den vom Staat ausdrücklich geschützten Sozialraum - der Familie- einzudringen, maße ich mir überhaupt nichts an."

Was habe ich mit Beschneidungsgegnern zu tun? Und wenn diese "Beschneidungsgegner" Eltern die rechtliche Grundlage zu Eingriffen in die Intimsphäre ihrer Söhne genommen sehen wollen, ist das so sehr eine Anmaßung, wie es schon heute eine Anmaßung ist, Eltern von Töchtern ein solches "Recht" vorzuenthalten. Wenigstens diese "Anmaßung" findest auch du gut.

"Ich „entscheide“ auch nicht über die Religion anderer, sondern akzeptiere sie und zwar in vollem Umfang."

Es sei denn, es ist die Religion, die höchstens aus medizinisch notwendigen Gründen beschnittene Vorhäute gestattet, der sich aus religiösen Gründen Beschnittene später als mündige Bürger zuwenden. Wieso stört es dich nicht, wenn diese Menschen in ihrer Religionsfreiheit beschnitten wurden? Behaupte nicht, diese Religion gäbe es nicht, sie sei absurd, oder sonst etwas. Sie gibt es, weil mir die Religionsfreiheit ermöglicht, sie zu behaupten, und wenn diese Religion absurd ist, wie absurd ist dann erst eine Religion, die Beschneidung fordert? Will sagen: Religion ist unbrauchbar, um damit die Rechtmäßigkeit irgendwelcher Vorgehen zu fordern, weil es nicht begründbar sein kann, wieso die Forderung einer Religion "wahrer" sein soll als die gegensätzliche Forderung einer anderen Regligion.

"Antwort 1: Ich kenne kein staatliches und kein Religionsgesetz, welches vorschreibt, - zwingend vorschreibt- jemanden zu züchtigen.
Antwort 2: Beschneidungen von Mädchen ist nicht statthaft."

1. Dann stell dir eins vor. ("Wer seine Rute spart, haßt seinen Sohn, aber wer ihn lieb hat, sucht ihn früh heim mit Züchtigung", du möchtest also, dass Gläubige Menschen ihre Kinder hassen sollen? "denn wer ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt?" Auch hier eine, sozialisationsnotwendige Züchtigungspflicht. Und falls du es anders interpretierst: Wieso sollte deine Interpretation schwerer wiegen als meine?)
2. Du findest es also in Ordnung, Mädchen aufgrund ihres Geschlechts gegenüber Jungen zu benachteiligen.

"Antwort: Über nicht vorhandene Angelegenheiten gibt es auch nichts zu beraten oder zu diskutieren. Ob es Sinn macht, zu jeder Antwort die passende Frage zu haben?"

Woher glaubst du zu wissen, dass nicht vielleicht sogar ich ein religiös Beschnittener bin, dem folglich die Aufnahme in die vorgestellte Religionsgemeinschaft verwehrt bleiben muss? Wenn du dich offenbar um die Religionsfreiheit nicht scherst, wieso argumentierst du dann damit?

"Was gehen Dich familiär- religiöse Entscheidungen an?"

Es könnte auch Mädchen geben, die darauf bestehen und ein religiöses Gesetz in Anspruch nehmen, dass sie am achten Tag beschnitten werden. Vielleicht ordnen sie die körperliche Unversehrtheit einer religiösen Vorgabe unter. Willst Du denen das zugestandene religiöse Recht absprechen?

"Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass religiös lebende Bürger islamischen und jüdischen Glaubens von sich sagen, dass sie ihrer Würde durch Beschneidung im Kindesalter beraubt wurden."

Jerome Segal ist zwar Jude aber nicht beschnitten und nennt Beschneidung einen barbarischen Akt. Ex-Muslim Ali Utlu: "Meine Beschneidung war im nachhinein wie eine Vergewaltigung meines Körpers und ein Eingriff in meine eigene Religionsfreiheit, die Freiheit auch keiner Religion anzugehören." Mittlerweile ist er offenbar ein Atheist, seine Beschneidung aber empfand er immer schon als falsch, also auch, als er noch Moslem war.
Es gibt aber auch beschnittene Frauen, die trotz westlicher Sozialisation ihre Beschneidung als richtig empfinden und diese an ihre Töchter weitergeben wollen. Und nun? Wieso sollen die nicht die gleichen Rechte zur Bestimmung über die körperliche Intaktheit ihrer Kinder haben, falls diese ohne Penis auf die Welt kommen? Wieso sollen Eltern in ihrem Erziehungsrecht und in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt werden dürfen, nur weil ihr Kind das "falsche" Geschlecht hat? Du sagst, es sei der Status quo und der sei eben richtig, weil er ist, bist aber nicht in der Lage diesen gegen Einwände zu begründen.

"Nein, daran störe ich mich nicht. Ich wüsste auch nicht wo ihnen ein religiös- festgeschriebenes Züchtigungsrecht zugestanden wird. (An Klugscheisser: Insofern im Talmud von Züchtigen die Rede ist, ist das keine zwingende Vorgabe, im Gegensatz zur Beschneidung, welche am achten Tag gefordert wird.)"

Wieso soll es zur Forderung eines Züchtigungsrechts einer schriftlichen religiösen Quelle bedürfen, die du anerkennst und nach deiner Interpretation plausibel ein Züchtigungsrecht fordert? Soll ich schnell eins nach göttlicher Eingebung niederschreiben?

"Antwort: Bitte gehe davon aus, dass mir als Demokrat dieser Republik maßgebliche und rechtsrelevante Texte vorliegen und bekannt sind, dazu braucht es keine Hilfestellung in kopierter Form."

Jetzt bin ich aber überrascht, dein Umgang mit dem Konzept "Menschenwürde" ließ nämlich wirklich nicht auf eine Vertrautheit mit maßgeblichen Rechtstexten schließen.

"Antwort: Das ist eine juristische Erklärung. Ich hatte vorgeschlagen einmal die rechtsphilosophische(!) Literatur zu bemühen."

Jetzt amüsierst du mich auch noch auf mindestens drei verschiedene Weisen.
- Dieser Einwand ergibt nur Sinn, wenn du Rechtsphilosophie und Rechtsprechung als zwei einander nicht beeinflussende Sphären begreifst.
- Wenn es aber so wäre, müsste die Rechtsphilosophie für dich doch erst Recht irrelevant sein, schließlich sind Rechtsphilosophen doch keine demokratische Instanz.
- Zum Beispiel hält der Rechtsphilosoph Reinhard Merkel den Beschneidungsparagraphen für unrechtmäßig. Und nun?
- Aber natürlich gibt es auch rechtsphilosophische Äußerungen demokratisch legitimierter Menschen, zum Beispiel von Ralf Eschelbach, seineszeichens Richter im 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes: "Das Gesetz ist offensichtlich verfassungswidrig".

Wenn du offenbar glaubst, Richter sprächen in einem juristischen Raum Recht, der von Rechtsphilosophischen Abhandlungen unbeeinflusst dahinexistiert, wieso sollten solche Rechtsphilosophischen Abhandlungen dann relevant sein? Du konstruierst eine irre Dichotomie.

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